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StartRegionDeutschlandAntisemitismus und Fake News im Netz

Antisemitismus und Fake News im Netz

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Keine Toleranz bei Hass und Hetze

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel verbreiten sich in den sozialen Medien viele Falschinformationen – auch mit antisemitischem Hintergrund. Ein Überblick über die Fakten, um solchen Fake News entgegenzuwirken.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verbreiten sich in den sozialen Netzwerken viele verstörende Bilder, Videos und Behauptungen. Wie auch beim Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine lassen sich diese oft nicht unabhängig überprüfen. Umso wichtiger ist es, keine zweifelhaften Inhalte zu teilen, Faktenchecks zu nutzen, sich aus verschiedenen seriösen Quellen zu informieren und respektvoll miteinander zu kommunizieren.

Der Hamas-Angriff auf Israel hat auch Auswirkungen auf unser Zusammenleben in Deutschland. Nachfolgend haben wir Informationen zu den in diesem Zusammenhang relevanten Rechtsgrundlagen sowie zur Einordnung der deutschen Politik zusammengestellt.

Die deutsche Verantwortung für die Shoah, den Massenmord an 6 Millionen Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit, prägt das Verhältnis des deutschen Staates zum Judentum und zu Israel. Vor einem Dreivierteljahrhundert lagen die Staaten Europas nach dem von Deutschland ausgelösten Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche. Jüdinnen und Juden, die dem Grauen der Shoah und der systematischen Verfolgung und kaltblütigen Ermordung durch die Nationalsozialisten entkommen waren, suchten Schutz und Sicherheit in einem eigenen Staat. Mit Zuversicht und Tatkraft bauten sie sich ihre neue Heimat auf. Bis heute ist Israel als einziger jüdische Staat der Zufluchtsort für jüdische Menschen aus aller Welt. Hier können Jüdinnen und Juden sicher sein, nicht von einem auf den anderen Tag zu einer verfolgten Minderheit zu werden.

Deswegen sind wir in Solidarität mit Israel verbunden – aus unserer besonderen Perspektive als Deutsche wie aus universeller Verantwortung für die Menschlichkeit. Außerdem ist Israel die einzige Demokratie in der Region. Israels Sicherheit ist Teil deutscher Staatsräson – das heißt, dass die Existenz Israels für Deutschland nicht verhandelbar ist. Das bedeutet konkret, jedem Angriff auf Israels Existenzrecht entgegenzutreten.

Genauso begegnen wir Angriffen gegen jüdische Menschen in Deutschland mit Null-Toleranz. Dies macht unsere wehrhafte Demokratie aus: Wir verteidigen unsere tolerante Gesellschaftsordnung gegen Angriffe der Intoleranten. Denn sonst werden die Toleranten vernichtet und mit ihnen die Toleranz. Antisemitismus darf bei uns in Deutschland keinen Platz haben. Die Bundesregierung steht daher dafür ein, antisemitische Anfeindungen und Angriffe, Holocaustleugnung, Holocaustrelativierung und Holocaustverfälschung zu benennen und zu verurteilen. Dies zeigt sich auch in der deutschen Außen- und Europapolitik. Der Leitgedanke dieser deutschen Verantwortung prägt die Politik der Bundesregierung in sämtlichen internationalen Zusammenhängen.

Jeder darf in Deutschland frei seine Meinung äußern und friedlich demonstrieren. Dies garantiert das Grundgesetz. Diese Meinungs- und Demonstrationsfreiheit steht allen Menschen zu – ganz gleich ob sie derzeit um israelische Opfer oder um Opfer im Gazastreifen trauern. Was dabei alle beachten müssen: Versammlungen sind nur geschützt, wenn sie „friedlich und ohne Waffen“ stattfinden. Unfriedlich ist eine Versammlung, wenn sie einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbar anstrebt.

Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut in Deutschland. Versammlungen dienen dem Diskurs, dem Streit um Positionen und dem Recht zum Dissens. Grenzen werden nur unter engen Voraussetzungen gesetzt. Hier ist insbesondere das Delikt der Volksverhetzung als Grenze der Meinungsfreiheit von Bedeutung. Eine Versammlung kann daher nur verboten werden, wenn die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet ist. Für Meinungsäußerungen auf Versammlungen setzt das Strafrecht die Grenzen.

Über Demonstrationsverbote entscheiden die Länder und Kommunen mit ihren Versammlungsbehörden. Ein Demonstrationsverbot muss immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Demnach darf eine Demonstration nur untersagt werden, wenn mildere Mittel unter Abwägung der betroffenen Grundrechte nicht zur Verfügung stehen.

Die Grenze zur Solidarisierung ist dort erreicht, wo zu Gewalt aufgerufen oder Straftaten wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung oder Geiselnahme wie sie die Hamas in Israel begangen hat, öffentlich gebilligt werden.

Nach § 130 Absatz 3 des Strafgesetzbuchs ist die Leugnung oder Relativierung des Holocaust strafbar. Danach „wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“

Bei der Verharmlosung des Holocausts wird sowohl das Herunterspielen des Umfangs dieses Menschheitsverbrechens erfasst (etwa die Behauptung, „jedenfalls“ die Gaskammermorde habe es nicht gegeben) als auch die inhaltliche Verharmlosung (bspw. durch Einstufen der Holocaust-Gräuel als unvermeidliche Kriegshandlungen). Bei Vergleichen des NS-Unrechts mit Handlungen anderer Staaten kommt es auf den Kontext der Äußerung an – ist der Vergleich als Bagatellisierung und damit Banalisierung des Schicksals der Holocaustopfer zu werten, ist der Straftatbestand erfüllt.

Übrigens kann sich der Volksverhetzung auch gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen, wer zur Vernichtung der Existenz Israels aufruft. Über Ermittlungsmaßnahmen entscheiden Staatsanwaltschaft und Polizei.

Nach § 86a Absatz 1 Strafgesetzbuch ist das öffentliche Zeigen der Hamas-Flagge strafbar. Darunter fallen unter anderem Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen.

Die Hamas ist in der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus als Organisation gelistet.

In diesem Zusammenhang kann auch § 111 StGB einschlägig sein, der die öffentliche Aufforderung zu Straftaten erfasst. Die Aufforderung, Israels Existenz gewaltsam auszulöschen kann nach dieser Vorschrift strafbar sein. Ebenso die Aufforderung, die Hamas-Flagge öffentlich zu zeigen.

Werden die Angriffe der Hamas öffentlich bejubelt und gefeiert, kann auch dies strafbar sein. Dadurch können Personen, die die Taten der Hamas bejubeln, oder ihre Sympathie mit den Angriffen öffentlich bekunden, den Straftatbestand der „Billigung von Straftaten“ nach § 140 StGB erfüllen.

Das bloße Zeigen von Palästina-Flaggen ist hingegen strafrechtlich nicht relevant. Über Ermittlungsmaßnahmen entscheiden die Strafverfolgungsbehörden.

Für die Bundesregierung ist klar: Aufgrund unserer Geschichte tragen wir in Deutschland eine besondere Verantwortung für die Sicherheit von Jüdinnen und Juden in Deutschland und in der Welt. Die Verantwortung für die Shoah ist aus Sicht der Bundesregierung ein Erbe, das sie aktiv und mit dem Imperativ annimmt, dass nie wieder Ähnliches geschehe. Dieses Erbe gilt für jeden, der in Deutschland lebt. In einer wehrhaften Demokratie muss der Staat die Rechtsgleichheit aller auf allen Ebenen gewährleisten. Antisemitismus ist überall auf der Welt, aber ganz besonders in Deutschland, nicht hinnehmbar.

Das Grundgesetz schützt die Vereinigungsfreiheit in Art. 9 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG. Dies umfasst das Recht, sich zu einem gemeinsamen Zweck zusammenzuschließen und diesen gemeinsam anzustreben. Vereine können insbesondere verboten werden, wenn ihre Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Die Folge ist unter anderem, dass der Verein, oder die Gruppierung, dann in Deutschland nicht mehr aktiv werden und auch keine Versammlungen mehr organisieren darf.

Die Bundesministerin des Innern und für Heimat hat am 2. November 2023 die Betätigung der Terrororganisation Hamas und des internationalen Netzwerks „Samidoun – Palestinian Prisoner Solidarity Network“ in Deutschland verboten. Die Teilorganisation „Samidoun Deutschland“, auch agierend unter den Bezeichnungen „HIRAK – Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung (Germany)“ und „Hirak e.V.“ ist verboten und wird aufgelöst.

Der Tätigkeit der Hamas im Bundesgebiet läuft Strafgesetzen zuwider und richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz. Darüber hinaus beeinträchtigt ihr Zweck oder ihre Tätigkeit erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland (§ 14 Absatz 2 Nr. 1, 4. Var. VereinsG).

Die Vereinigung „Samidoun – Palestinian Solidarity Network“ einschließlich seiner Teilorganisation im Inland, „Samidoun Deutschland“, auch agierend unter den Bezeichnungen „HIRAK – Palestinian Youth Mobilization Jugendbewegung (Germany)“ und „Hirak e.V.“ erfüllt die in Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 und 14 Abs. 2 VereinsG normierten Verbotsgründe.

Bei der Hamas handelt es sich um eine ausländische Organisation, die auch von der EU bereits seit 2003 als Terrororganisation eingestuft wird. Der Europäische Gerichtshof hat diese Einstufung überprüft und bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass sich die Hamas insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall als politische, soziale oder terroristische Struktur in Erscheinung tritt.

Ein Vereinsverbot zielt darauf ab, einen Verein ganz zu zerschlagen. Das ist möglich bei inländischen und ausländischen Vereinen, die über nachweisbare Teilstrukturen in Deutschland verfügen. Allerdings haben weder Hamas noch das Netzwerk Samidoun in Deutschland derart organisierte Strukturen. Bei solchen ausländischen Organisationen, die in Deutschland tätig sind, aber keine festen Strukturen haben, ist jedoch ein Betätigungsverbot möglich. Als kollektives Betätigungsverbot kann sich ein solches Verbot grundsätzlich gegen die gesamte Betätigung des Vereins richten. Das Verbot kann aber auch auf bestimmte Handlungen oder Personen als sog. Individuelles Betätigungsverbot beschränkt werden. Solch ein Betätigungsverbot ist eine Bekräftigung bereits geltender Bestimmungen. Damit unterstreicht der Staat, dass er jede Art von Unterstützung für derartige Organisationen, auch die finanzielle, von Deutschland aus nicht hinnimmt.


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