Verbraucherministerin Aigner: Banken und Sparkassen dürfen bei Dispozinsen ihren Kredit nicht verspielen
„Faire Konditionen und volle Transparenz gefordert“ – BMELV legt Studie vor
DWZ.> Fast jeder vierte Verbraucher hat in diesem Jahr schon sein Girokonto überzogen. Das durchschnittliche Dispozins-Niveau empfinden 80 Prozent der Deutschen als unangemessen hoch. Jeder Dritte fühlt sich von seiner Bank über die Dispozinsen nicht gut informiert. Dies geht aus einer aktuellen Verbraucherbefragung des Forsa-Instituts hervor, die das Bundesverbraucherministerium heute zusammen mit einer umfangreichen Studie zu Dispozinsen und Ratenkrediten veröffentlicht hat. Die vom Institut für Finanzdienstleistungen und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftforschung GmbH erstellte Studie nimmt den Markt der Dispositionskredite in Deutschland unter die Lupe.
Nach der Studie verfügen über 80 Prozent der Haushalte in Deutschland über einen Dispokredit-Rahmen. Jeder sechste Haushalt nimmt diesen regelmäßig in Anspruch. Das Kreditlimit beträgt in der Regel das zwei- bis dreifache des monatlichen Nettoeinkommens. Einkommensschwache Haushalte verfügen deutlich seltener über einen Dispokredit. Nach den Statistiken der Deutschen Bundesbank belief sich die Gesamthöhe der gewährten Überziehungskredite – zusammen mit revolvierenden Krediten – im April 2012 auf über 41 Milliarden Euro, umgerechnet also rund 500 Euro pro Bundesbürger. Nach früheren Untersuchungen der Stiftung Warentest schwanken die Dispo-Zinsen bei Banken und Sparkassen in Deutschland zwischen sechs und 14,75 Prozent, der Durchschnitt liegt bei elf bis zwölf Prozent.
Argumente für überhöhte Dispozinsen nicht nachvollziehbar
Die Studie im Auftrag des BMELV betont, dass sowohl Filial- als auch Direktbanken mit Zinssätzen von derzeit um die zehn Prozent pro Jahr für die eingeräumte und geduldete Überziehung „profitabel arbeiten können“. Die Autoren der Studie sehen das Dispo-Zinsniveau vieler Banken und Sparkassen in Deutschland kritisch und ziehen die Begründungen der Geldhäuser für die hohen Zinsen in Zweifel: Weder habe sich der Bearbeitungs- und Verwaltungsaufwand in den letzten Jahren erhöht, noch seien die Ausfallquoten mit im Schnitt höchstens 0,3 Prozent auffallend hoch. Im Gegenteil: Bei Konsumentenkrediten betrage die Ausfallquote 2,5 Prozent. Die Studie weist mehrfach darauf hin, dass sich die Refinanzierungskosten der Banken am Geldmarkt in letzter Zeit erheblich reduziert haben, die Dispo-Zinsen aber nicht unmittelbar und in gleichem Maße gefallen seien. Es sei naheliegend, so das Ergebnis der Untersuchung, „dass die Erträge aus dem Dispokreditgeschäft die Kosten, die dem Kreditinstitut für dieses einzelne Produkt entstehen, deutlich übersteigen, so dass sie zur Quersubventionierung anderer Leistungen oder zur Gewinnsteigerung verwendet werden“. Schon jetzt seien günstigere Konditionen auf dem Niveau von Konsumentenkrediten machbar, bilanziert die Studie.
Einen Eingriff des Staates in die Zinsgestaltung beurteilen die Autoren der Studie kritisch und weisen auf eine mögliche Verlagerung des Problems hin: „Die Einführung von festen Zinsobergrenzen birgt die Gefahr, dass sich die Anbieter an dieser Grenze verstärkt orientieren, diese also zu ihren Gunsten ausschöpfen. Feste Zinsobergrenzen fördern daher nicht unbedingt den Wettbewerb, sondern manifestieren auch einen zulässigen Preis.“ Zudem könne eine Einflussnahme auf die Preisbildung dazu führen, dass Banken ihre Erträge künftig auf andere Art generieren, etwa durch höhere Kontoführungsgebühren.
„Faire Konditionen, volle Transparenz und gute Beratung“
In einer ersten Bewertung der Studie sagte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner, die Banken müssten für „faire Konditionen und volle Transparenz sorgen“. Es sei nicht vermittelbar, dass die Institute sich einerseits zu historisch niedrigen Zinsen Geld besorgen könnten und andererseits von ihren Kunden zum Teil überhöhte Dispozinsen verlangen, die nicht zu rechtfertigen seien. Aigner fordert die Banken und Sparkassen auf, Zinsvorteile an die Kunden weiterzugeben: „Die Studie belegt, dass viele Banken faire Konditionen anbieten, während manche Institute die Zinsen in die Höhe treiben. Wollen die Banken den Kredit bei ihren Kunden nicht verspielen, müssen sie runter von überhöhten Dispozinsen.“ Das Bundesverbraucherministerium wird die Kritikpunkte und Anregungen der Studie mit Verbraucher- und Branchenvertretern sowie der Schuldnerberatung diskutieren. Für Herbst 2012 wird Ministerin Aigner zu einem Spitzengespräch einladen.
Um den Wettbewerb anzukurbeln, setzt Aigner auf volle Transparenz, eine umfassende Kundenbetreuung sowie auf eine bessere Information der Kunden vor Vertragsabschluss, im Internet, am Schalter und am Geldautomaten. Laut der aktuellen Forsa-Umfrage kennt nicht einmal jeder zweite Bankkunde die Höhe seines persönlichen Dispozinses, insbesondere Jüngere und Personen mit einem geringen Einkommen nicht. Jeder Zweite wünscht sich eine bessere Übersicht und bessere Vergleichsmöglichkeiten über die Höhe der Dispozinsen. „Die Kunden brauchen umfassende Informationen, damit sie vergleichen und das für sie beste Angebot auswählen können. Die Banken müssen hier ihren Informationspflichten nachkommen. Es kann nicht sein, dass man eine Stunde lang auf der Internetseite einer Bank suchen muss, bis man die Höhe des Dispozinses findet“, kritisierte Aigner. Sie begrüßte es, dass die Stiftung Warentest ihren bundesweiten jährlichen Dispo-Test fortsetzen möchte. „Banken und Sparkassen, die beim Dispo über Gebühr zulangen, müssen beim Namen genannt werden. Transparenz ist oft das effektivste Mittel, um vernünftige Preise durchzusetzen.“
Aigner verwies auf das Beispiel der Gebühren für das Fremdabheben an Geldautomaten, wo sich die Banken auf Druck des Verbraucherministeriums zu einer automatischen Gebührenanzeige verpflichtet hatten. Der Effekt: Nach kurzer Zeit sind die Preise deutlich gefallen, „Mondtarife“ gehören der Vergangenheit an. Zugleich betonte Aigner, dass am Ende das „Gesamtpaket“ aus Kontoführungsgebühren, Guthaben- und Überziehungszinsen, Filialnetz und Service stimmen müsse. Dies sehen auch die Verbraucher so: So würde laut der Forsa-Befragung lediglich jeder achte Bankkunde nur wegen eines deutlich günstigeren Dispo-Zinses seine Bank wechseln.
Weitere Ergebnisse der Dispo-Studie:
Frühwarnsysteme und Umschuldungsangebote
Verbrauchern, die sich gezwungen sehen, ihr Konto auf längere Zeit deutlich zu überziehen, wird geraten, ihren Bankberater zu kontaktieren und eine Umschuldung auf einen günstigeren Ratenkredit zu prüfen. Ausbaufähig sind laut der Studie die Frühwarnsysteme und Umschuldungsangebote: So bestehen in den meisten Banken und Sparkassen zwar interne Alarmsysteme, wenn Kunden ihr Konto über einen längeren Zeitraum überziehen. Diese Warnung wird jedoch häufig nicht an die Kunden weitergegeben. Nur selten werde die Umschuldung in einen Ratenkredit ohne Restschuldversicherung angeboten oder der Besuch einer Schuldnerberatungsstelle empfohlen. „Die Banken haben eine Verantwortung, ihre Kunden angemessen zu betreuen“, so Aigner. Ohne die richtige Hilfestellung könne eine regelmäßige Überziehung des Girokontos bei einkommensschwachen Haushalten zur dauerhaften Schuldenfalle werden.
Vergleichen lohnt sich für die Verbraucher
Die aktuelle Studie im Auftrag des BMELV liefert auch positive Best-Practice-Beispiele für eine transparente und verbraucherfreundliche Bankenpraxis: So stellen einige Anbieter in der Werbung für das Girokonto den Dispozins heraus, andere warnen ihre Kunden, wenn diese ihr Konto über einen längeren Zeitraum überzogen haben. Hohe Dispozinsen werden nach Aussage der Studie dadurch begünstigt, dass der Markt von fehlendem Wettbewerb geprägt sei, da Verbraucher bei der Wahl ihres Girokontos meist kaum auf die Dispo-Konditionen achten. Der Kunde ist gut beraten, die Konditionen zu vergleichen. Ein einfaches Rechenbeispiel zeigt, wie lohnend ein Wechsel sein kann: Wer sein Konto um 3.000 Euro überzieht und dafür zehn Prozent Zinsen zahlen muss, den kostet das monatlich 25 Euro – bei acht Prozent sind es 20 Euro.