Verzögerungen beim neuen Bahnübergang Schorndorf/Urbach

1271

Kreuzung bei Schorndorf/Urbach: Kreis drängt auf Vertragserfüllung durch Baufirma Wolff & Müller

Rems-Murr-Kreis, 19.06.2012.| Täglich mehr als 19.000 Autofahrer soll eine Brücke entlasten, die auf der Kreisstraße 1881 über die Bahnstrecke von Schorndorf nach Urbach führt. Spatenstich zur Beseitigung des bisher ebenerdigen Bahnübergangs war am 20. Oktober 2011. Doch seit den Vorarbeiten verliefen die Fortschritte in diesem Jahr nur noch sehr schleppend und kamen zwischenzeitlich zum Erliegen. Dies lag daran, dass die beauftragte Baufirma Wolff & Müller zur Gründung von Widerlagern und Brückenpfeilern statt der beauftragten Innenrohrrammung ein ungeeignetes alternatives Verfahren, die sogenannte Außenrammung auszuführen beabsichtigt. Dieses Thema war am 18. Juni Gegenstand einer Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags.

Bei der Außenrammung wird ein geschlossener Zylinder in den Untergrund gerammt. Der dadurch entstehende Hohlraum wird dann mit Ortbeton gefüllt. Ortbeton ist Frischbeton, der vor Ort gemischt und in ein gerammtes Loch in den Baugrund gegossen wird. Bei näherer Prüfung hat sich herausgestellt, dass die von der Firma Wolff & Müller verwendete Rammtechnik in diesem Untergrund nicht die nötige Tiefe für die Gründung der Schrägpfähle erreicht, die das Brückenbauwerk statisch stabilisiert. Vorbohrungen, um die erforderliche Tiefe zu erreichen, brachten Grundwasserprobleme mit sich. Die Folge sind erhebliche Verzögerungen bei der Bauausführung.

Bei der in der Ausschreibung verlangten und auch beauftragten Innenrohrrammung wird ein offenes Rohr auf den Untergrund aufgesetzt und ein Betonpfropf eingebracht. Ein Gewicht fällt dann auf den Betonpfropf, der sich durch den Aufprall mit dem außen liegenden Rohr verspannt und das Ganze so in den Untergrund treibt. Proberammungen, die das Landratsamt in Auftrag gegeben hat, um die Tauglichkeit dieses Systems zu testen, haben ergeben, dass so die erforderliche Tiefe für die Stützpfähle erreicht werden kann. Auf dieser Basis kam auch der Vertrag mit Wolff & Müller zustande. Trotzdem weigerte sich Wolff & Müller, die Innenrohrrammung auszuführen und beharrte auf der von ihr kalkulierten und günstigeren Variante. Das Landratsamt besteht darauf, dass die vertraglich vereinbarte Technik von der Baufirma auch eingesetzt wird.

Um die Bauarbeiten zu ermöglichen, hatte die Bahn im ersten Halbjahr bereits regelmäßige nächtliche Sperrpausen fest eingeplant, in denen kein Zugverkehr stattfand. Das Landratsamt hat diese Sperrpausen frühzeitig in der Planungsphase bei der Deutschen Bahn beantragt und auf den Bauterminplan abgestimmt. Diese Sperrpausen blieben bis heute ungenutzt. Damit ist das Projekt zum jetzigen Zeitpunkt etwa 4 Monate im Verzug.

„Wir haben bereits viel Zeit verloren“, beklagt Landrat Johannes Fuchs. „Das ist besonders ärgerlich, weil für die Abstimmung solcher Sperrpausen mit der Bahn ein Vorlauf von 31 Wochen nötig ist. Wir bestehen aber darauf, dass die Firma Wolff & Müller ihrer vertraglichen Verpflichtung nachkommt.

Die vertragsgemäße Ausführung der Baumaßnahme hat für uns oberste Priorität.“ Allerdings müssen für den Weiterbau wieder Sperrpausen bei der Bahn beantragt werden. Das macht weitere Verzögerungen wahrscheinlich. Das eingeschaltete Planungsbüro der Bahn, DBI, äußert die Befürchtung, dass die Brücke erst im Lauf des Jahres 2014 statt im Herbst 2013 fertig gestellt werden kann.

Die Vergabesumme für die Brücke und den Straßenbau beträgt rund 3,8 Millionen Euro. Nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz sind je zu einem Drittel der Rems-Murr-Kreis, die Deutsche Bahn AG und die Bundesrepublik Deutschland an den Kosten beteiligt. Der Rems-Murr-Kreis hat für sein Kostendrittel einen Förderantrag nach dem Entflechtungsgesetz gestellt und geht von einem Zuschuss in Höhe von etwa 75 Prozent aus.

Das Entflechtungsgesetz soll die Finanzierung für Gemeinschaftsaufgaben, die bis dahin von Bund und Ländern gemeinsam wahrgenommen wurden, sicherstellen. Es hat das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) abgelöst, das seit 1971 den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland ermöglicht hat. Die Länder erhalten vom Bund jährlich 1,3 Milliarden Euro an sogenannten Entflechtungsmitteln, die verkehrlich zweckgebunden sind. Die Länder müssen das Geld gezielt in den Ausbau und die Verbesserung des kommunalen Verkehrs investieren. Aus diesem Topf wird auch der Zuschuss an den Rems-Murr-Kreis finanziert.

Zum Hintergrund: Die neue Trassenführung der Kreisstraße von Schorndorf nach Urbach schwenkt rund 170 Meter östlich der Randbebauung von Schorndorf nach Nordosten ab. Die Trasse steigt mit 3,5 Prozent an und soll künftig die Bahn mit einer Brücke überqueren. Nach dem Überqueren der Bahnlinie schwenkt die Neubautrasse nach Osten ab und verläuft nördlich der Bahn, bis sie unmittelbar nach dem bestehenden Bahnübergang wieder auf die alte Trasse trifft.

Nach Richtlinien des Eisenbahnbundesamts dürfen aus Sicherheitsgründen im Räumbereich von Bahnübergängen keine Straßenzu- oder -abfahrten liegen. Dies ist aber an der Bahnstrecke, die von der Kreisstraße 1881 zwischen Schorndorf und Urbach gekreuzt wird, aus topographischen Gründen der Fall. Deshalb muss der Bahnübergang auf Straßenhöhe beseitigt werden. Die Arbeiten zu dem 6,2-Millionen-Euro-Projekt begannen offiziell am 20. Oktober 2011. Die Brücke über die Gleise entspannt auch die Verkehrslage auf der vielbefahrenen Kreisstraße 1881. Auf der Kreisstraße verkehren täglich über 19.000 Fahrzeuge. An dem beschrankten Bahnübergang kommt es häufig zu Staus, weil auf der Bahnlinie Stuttgart – Aalen pro Tag bis zu 92 Züge fahren, für die der Straßenverkehr angehalten werden muss.

Eine Beseitigung des Bahnübergangs verbessert nicht nur die Verkehrssicherheit deutlich durch den Wegfall einer Gefahrenstelle, auch die Kraftfahrer profitieren von der Änderung. Nachdem seither in regelmäßigen Abständen die Schranke den Verkehrsfluss stoppte, können die Straßennutzer nach der Fertigstellung zügig die Bahnstrecke überqueren. Durch den Wegfall von Wartezeiten vermindern sich die Lärm- und Abgasimmissionen, was sich positiv auf die südwestlich des Bahnübergangs gelegene Kleingartenanlage auswirkt. Unterstützt wird dieser Effekt durch die Verlegung der Straße in nordwestlicher Richtung. Auch die nah am Bahnübergang liegenden Wegeinmündungen werden günstiger an die Kreisstraße 1881 angeschlossen, so dass eine geringere Auswirkung auf den Verkehrsfluss auf der Hauptverkehrsstraße zu erwarten ist.

Wenn die Bauarbeiten weiter fortgeschritten sind, muss noch die Anbindung an die bestehende Kreisstraße 1881 erfolgen, die am nordwestlichen Rand Urbachs verläuft. Bevor die langersehnte Entlastung eintritt, wird zunächst eine mehrmonatige Vollsperrung der Straße notwendig sein.