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StartAktuellAsteroidenabwehr: Kollision in elf Millionen Kilometern Entfernung

Asteroidenabwehr: Kollision in elf Millionen Kilometern Entfernung

AktuellAsteroidenabwehr: Kollision in elf Millionen Kilometern Entfernung

Die im letzten Jahr gestartete NASA-Raumsonde DART soll in der Nacht von Montag auf Dienstag erproben, ob es möglich ist, den Kurs eines Asteroiden zu verändern. DART wird dann das Asteroiden-Binärsystem Didymos-Dimorphos erreichen und gezielt auf dem 170 Meter großen Planetoiden Dimorphos einschlagen. Durch den dabei übertragenen „kinetischen Impuls“ soll die Bahn dieses Asteroiden um Didymos verändert werden. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Raumfahrt, dass versucht wird, die Bahn eines Himmelskörpers durch einen menschengemachten Körper zu beeinflussen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist an der Analyse des Impakts beteiligt. 2026 soll die ESA Mission Hera, an der Deutschland wesentlich über die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR beteiligt ist, das Asteroidensystem und dessen Veränderung erkunden.

Die Erde wird von jeher durch Asteroiden bedroht. Zwar bewegen sich fast alle der ungefähr eine Million bekannten, über einhundert Meter großen Himmelskörper auf stabilen Bahnen zwischen Mars und Jupiter. Doch haben davon etwa dreißigtausend Asteroiden solche Bahnen, die sich mit der Umlaufbahn der Erde um die Sonne schneiden und diese Körper Planeten kollidieren können. Bei einer Kollision eines auch nur wenige hundert Meter großen Körpers mit der Erde würde es zu ganz erheblichen Schäden kommen. Mit Raumsonden könnte diese Gefahr abgewendet werden, indem der Kurs eines solchen erdbahnkreuzenden Asteroiden sehr frühzeitig so verändert wird, dass er an der Erde vorbeifliegt.

„Wir leben im Zeitalter der Raumfahrt. Dadurch haben wir die Möglichkeit, mit Raumsonden die Bahn eines Asteroiden, der auf die Erde zu stürzen droht, zu verändern“, sagt Dr. Jean-Baptiste Vincent vom DLR-Institut für Planetenforschung. Das DLR beobachtet und charakterisiert seit Jahrzehnten erdbahnkreuzende Asteroiden. „Zum einen versuchen wir, diese kleinen, aber manchmal eben auch gefährlichen Himmelskörper zu charakterisieren, ihre physikalischen Eigenschaften zu verstehen, und zum anderen daraus Schlüsse zu ziehen, wie wir sie abwehren könnten, sollten die Berechnungen ergeben, dass sie in der Zukunft mit der Erde zusammenstoßen“, erklärt Dr. Stephan Ulamec vom DLR-Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) in Köln.

Veränderung der Umlaufzeit um einige Minuten

Die beiden DLR-Wissenschaftler sind an der NASA-Mission DART („Double Asteroid Redirection Test“) beteiligt. DART ist ein würfelförmiger Satellit mit knapp zwei Metern Kantenlänge und einer Masse von 610 Kilogramm. Die Mission wurde am 24. November 2021 gestartet und auf einer ellipsenförmigen Bahn zu ihrem Ziel, dem Asteroidenpaar Didymos und Dimorphos gelenkt. Didymos, der größere der beiden Körper, hat einen unregelmäßigen Durchmesser von knapp 800 Metern, Dimorphos von etwa 170 Metern. Dimorphos umkreist Didymos – griechisch für Zwilling – in zwölf Stunden in einer Entfernung von 1.200 Metern. Die beiden Asteroiden umrunden zusammen in 25 Monaten die Sonne auf einem Orbit, der sich mit der Erdbahn kreuzt und sie zu potentiell gefährlichen „NEOs“ (Near-Earth Objects) macht. Im Jahre 2003 kamen die beiden Asteroiden der Erde bis auf sechs Millionen Kilometer nahe.

„Wir gehen davon aus, dass sich die Umlaufzeit von Dimorphos um Didymos durch den Impuls von DART um einige Minuten verändert“, prognostiziert DLR-Forscher Stephan Ulamec. „Allerdings wissen wir nicht, wie Dimorphos beschaffen ist“, ergänzt Jean-Baptiste Vincent. „Ist es ein kompakter Körper oder sind seine Bestandteile nur ganz lose zusammengefügt? Ist Dimorphos also eine Art Schutthaufen aus Gesteinsfragmenten, ein ‚Rubble Pile‘, wie wir in der Asteroidenforschung sagen?“ Die Aufgabe der beiden DLR-Wissenschaftler im DART-Team besteht in der Bestimmung der genauen Form des kleinen Asteroiden, seiner genauen Masse und der Analyse des Kraters und der Übertragung des Impulses und der Auswürfe, die beim Einschlag entstehen.

Die Raumsonde wird dabei natürlich vollständig zerstört, aber der Einschlag von DART auf Dimorphos wird von zwei bereits am 11. September erfolgreich ausgesetzten Kleinsatelliten beobachtet. Die beiden LICIACube-Würfel wurden von der Italienischen Weltraumorganisation ASI entwickelt, um nach dem Einschlag von DART im Vorbeiflug Beobachtungen des Asteroiden-Binärsystems Didymos machen zu können. Die Kleinsatelliten werden vor, während und nach dem Impakt direkt mit der Erde kommunizieren. Jeweils zwei Kameras (LUKE und LEIA) sollen den Einschlag bestätigen und Bilder der Auswurfswolke und möglicherweise eines Kraters festhalten. Drei Minuten nach dem Impakt von DART werden sie an Dimorphos vorbeigeflogen sein, sich drehen und noch Aufnahmen der Rückseite von Dimorphos machen, die DART natürlich nicht aus der Nähe zu sehen bekommt. LICIACube ist die erste rein italienische autonome Raumsonde im Weltraum. Auch die im vergangenen Jahr zu den „Trojaner“-Asteroiden auf der Jupiterbahn gestartete NASA-Mission Lucy wird den Einschlag aus 19 Millionen Kilometer Entfernung beobachten.

Können wir in Zukunft Asteroiden ablenken?

Der gezielte Zusammenstoß der DART-Raumsonde mit Dimorphos wird am 27. September 2022 um 1.14 Uhr MESZ in knapp über elf Millionen Kilometer Entfernung von der Erde geschehen, der kürzesten Entfernung, die das Doppelasteroidensystem in unserer Zeit mit der Erde haben kann (erst 2062 wird das Asteroidenpaar in einer ähnlich geringen Entfernung an der Erde vorbeikommen). Damit sind auch gute Beobachtungsmöglichkeiten für Teleskope auf der Nachtseite der Erde, insbesondere von Europa aus gegeben, die für begleitende Untersuchungen während und nach der Kollision genutzt werden. Auch in den Nächten nach dem Ereignis werden Teleskope Lichtkurven des Binärsystems aufzeichnen, um Daten zu der Bahnveränderung von Dimorphos in die Analyse einzubringen.

Beim Einschlag von DART auf Dimorphos werden fast 140 Millionen Kilojoule Energie umgesetzt. Die Forscher gehen davon aus, dass der Impakt einen Krater von wenigen Zehnermetern Durchmesser erzeugt und sich die Umlaufzeit des Asteroiden messbar, um wenige Minuten verändert. Das entspricht in etwa einer Geschwindigkeitsänderung von einem halben Millimeter pro Sekunde. „Wie effizient die Ablenkung eines Asteroiden durch den Zusammenstoß mit einer Raumsonde ist, wird entscheidend durch die physikalischen Eigenschaften des Körpers beeinflusst, also wie porös und fest das Gestein ist“, erläutert Prof. Dr. Kai Wünnemann vom Museum für Naturkunde Berlin, der mit seinem Team Computersimulationen des Einschlagprozesses erstellt, um möglichst präzise Vorhersagen zu treffen. Am Museum für Naturkunde Berlin werden verschiedene Szenarien der Beschaffenheit von Dimorphos durchgespielt und simuliert, um unter anderem die Kratergrößer zu prognostizieren.

Für die genaue Untersuchung des Einschlags und seiner Folgen wird im Oktober 2024 die mit der NASA abgestimmte Mission Hera der Europäischen Weltraumorganisation ESA gestartet, die maßgeblich in Deutschland entwickelt und gebaut wird. Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit Sitz in Bonn managt die deutschen ESA-Beiträge für Hera. Im Dezember 2026 wird Hera das Doppelasteroidensystem erreichen, also etwa vier Jahre nach dem Aufprall von DART. Heras detaillierte Untersuchungen werden dann das Wissen über die Möglichkeiten einer Asteroidenabwehr erheblich erweitern. DART und Hera sind Missionen des internationalen Forschungsprojekts AIDA (Asteroid Impact and Deflection Assessment).

Immer wieder Asteroidentreffer in der Erdgeschichte

Für die vor uns liegenden Jahrzehnte gibt es gegenwärtig keinen Anlass zur Sorge, dass ein Asteroid die Erde trifft. Doch dies geschah in der viereinhalb Milliarden Jahre langen Geschichte der Erde immer wieder. Spuren davon sind Krater, die beim Einschlag von Asteroiden zurückbleiben, wie das Nördlinger Ries in Süddeutschland oder der Barringer-Krater in Arizona. Der von Einschlagskratern übersäte Mond macht deutlich, dass Asteroidenkollisionen früher viel häufiger waren – auf der dynamisch sich ständig verändernden Erde sind fast alle Spuren von Einschlägen ausgelöscht. Das Aussterben der Dinosaurier ist vor 65 Millionen Jahren durch einen Asteroidentreffer ausgelöst worden.

Dass die Gefahr von Asteroidentreffern auf der Erde auch heute, wenn auch in viel geringerem Maße, real bleibt, wurde am 15. Februar 2013 deutlich. Damals trat ein unbekannter Asteroid in die Erdatmosphäre ein und explodierte über der russischen Stadt Tscheljabinsk. Die Schockwelle der komprimierten Luft der Erdatmosphäre verursachte erhebliche Schäden in der Stadt. Tausende von Fensterscheiben barsten, dabei wurden mehr als 1.600 Menschen verletzt. Der Gesamtschaden wurde auf 30 Millionen Euro geschätzt. Dabei war das Objekt in Tscheljabinsk nur etwa 18 Meter groß.


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